Und vergib uns unsere Schuld
Fünfzehn Monate ist es her,
als sie zerfetzt wurden
von der Bombe rechter Terroristen.
Fünfzehn Monate ist es her
und ich habe noch nichts für sie geschrieben.
Ich habe dieses Jahr an sie gedacht
als ich in Stuttgart übers Volksfest lief.
Ich wurde an sie erinnert,
als ich das Oktoberfest-Lied von Bettina Wegner hörte,
aber ich schrieb erst jetzt für sie,
nachdem ich im Buch "Blumen für Stuckenbock"
von Heinrich Albertz nochmal las.
Ich muss jetzt schreiben- fünfzehn Monate danach.
Ich frage mich, ob es deutsch ist
- das Töten von Unschuldigen für den Wahnsinn
- das Saufen und Grölen beim Anblick
zerfetzter Leiber und in den Ohren sitzender Schmerzschreie
- das Auslöschen brutaler Geschehnisse innerhalb
kürzester Zeit aus unseren Gehirnen.
Egal ob es deutsch ist oder nicht,
schuldig sind wir alle,
weil wir geschwiegen und vergessen haben;
auch ich bin schuldig,
denn ich habe fünfzehn Monate gebraucht,
um für sie zu schreiben.
Hans- Martin Haist